1. Ein Leben davor - ein Leben danach
Ich fahre in die Einfahrt unseres Elternhauses, wie schon hunderte Male zuvor. Aber dieses Mal ist es anders.
Es ist einer dieser wunderschönen Sommertage, an denen die Luft regelrecht vibriert. Alles und alle um dich herum scheinen dir zu zurufen: «Das Leben ist schön. Feiere und geniesse es!»
Vor wenigen Stunden war ich eine von ihnen. Ich fühlte diesen Rhythmus, ich hörte ihn. Und ich tanzte und sang innerlich zu dieser pulsierenden Melodie.
Nun ist das Lied für mich verstummt. So als ob es nie dagewesen wäre.
Ich parkiere meinen schwarzen Kleinwagen und stelle den Motor aus.
Stille.
Mit einer Hand ziehe ich die Handbremse an, mit der anderen ertaste ich den Türgriff zu meiner linken.
Zögern.
Wenn ich jetzt an diesem Türgriff ziehe, gibt es kein Zurück mehr. Es gibt dann nur noch ein davor und ein danach.
Davor ein Leben gemeinsam mit meiner jüngeren Schwester. Danach ein Leben ohne sie.
Ich atme tief ein.
Was würde ich dafür tun, um in diesem Moment zu verharren und das Davor, mit all meiner ganzen Liebe und Kraft, festzuhalten!
Meine Hand zieht am Türgriff. Die Autotür springt auf und ich steige aus dem Wagen aus.
Ich gebe zu, ich mag dich nicht! Ich will dich nicht! Nicht so und vor allen noch nicht jetzt!
Eins, zwei, drei…ausatmen.
Die neue Zeitrechnung hat begonnen: «Hallo, Danach».
2. Braucht es Trauer, wenn man sich mit Verstorbenen austauschen kann?
Ich wurde oft gefragt, ob ich als Mensch, der mit Verstorbenen kommuniziert, leichter um einen verstorbenen Angehörigen trauern kann.
Trauer(n) ist niemals leicht. Auch für mich nicht.
Trauern bedeutet Abschied zu nehmen von dem Leben, das wir bisher gekannt haben und es mit Liebe und Dankbarkeit, für all die Momente, die sein durften, loszulassen.
Nicht um zu vergessen!
Sondern um mit all den Erinnerungen, die wir im Herzen tragen, eine neue Version unseres Lebens zu leben, die uns Freude bereitet und wir geniessen können. Auch wenn die Trauer nie ganz vergehen wird.
Dieser Prozess, seien wir ganz ehrlich, kann verdammt unangenehm, zuweilen schmerzhaft sein.
Sicher, ich glaube als Medium an ein Leben nach dem Tod, und kann mich mit meinen Liebsten in der Geistigen Welt austauschen.
Dabei zu wissen, dass es meinen Verstorbenen im Tod gut geht und sie immer noch bei mir sind, hilft mir sehr.
Ich muss mich in meiner Trauer zumindest nicht mit diesen Fragen beschäftigen. Es waren nämlich zwei der häufigsten gestellten Fragen in meinen Jenseitskontakten, die ich geben durfte: «Geht es meinen Verstorbenen gut? Sind sie immer noch bei mir?»
Trotzdem fehlen auch mir meine verstorbenen Liebsten im irdischen Leben.
Da unterscheide ich mich von niemandem auf dieser Welt.
Gerade beim Verlust meiner jüngeren Schwester, die mir sehr nahestand und immer noch steht, hilft mir meine persönliche frühe Auseinandersetzung mit den Themen Sterben, Tod und Trauer. Ich weiss, wie ich zu diesen Themen stehe, was mir wichtig ist und was nicht.
Ich kenne Rituale und Tools, die mich in meiner Trauer unterstützen und mir einfach gut tun.
Ich glaube das, was mir aber am meisten hilft, ist die Tatsache, dass ich in den letzten Jahren, auch durch die Ausbildung zum Medium, mich selbst, meine Themen und meine Bedürfnisse besser kennenlernen durfte.
Ich fühle und höre meinen inneren Kompass, der mich durch all die Gefühle der Trauer zu führen scheint. Gefühle, wie zum Beispiel Wut, Frust, Verleugnung, Scham, Schuld und vieles mehr, scheinen im ersten Moment nicht passend zu sein. Sie gehören aber genauso zum Trauerprozess wie eben traurig sein und wollen gefühlt und ausgelebt werden.
In welchem Rahmen dies stattfinden kann und darf, ist jedes Mal aufs Neue meine Entscheidung.
Aber der Punkt ist, ich lasse sie zu.
3. Auch ich habe scheiss Tage
Aber ganz ehrlich auch ich kenne diese Momente und Tage, an denen sich nichts richtig anfühlt.
An denen mein Herz wie in einem Schraubstock eingequetscht wirkt.
Ich kein Verständnis für meine Mitmenschen habe. Ich auch manchmal ungerecht werde, obwohl ich weiss, dass das nicht richtig ist.
Meine Tränen willkürlich meine Wangen benetzen und ich es erst bemerke, wenn ich das Salz auf meinen Lippen schmecke.
Ich lauthals schreie, um meinem Schmerz eine Stimme zu geben.
Wütend bin auf meine Schwester, dass sie es vagen konnte so früh zu gehen.
Ich kenne diese Momente und Tage, in denen ich nicht weiss, wohin mit mir selbst.
An denen ich mich kaum wiedererkenne.
Einfachste Dinge wie duschen und Essen zubereiten zu einer unüberwindbaren Herausforderung werden.
Nur das Ziel habe diesen Tag zu überstehen.
Anmerkung: Nach nun über zwei Jahren, seit meine Schwester verstorben ist, kann ich dir sagen, diese Momente und Tage werden weniger und weniger werden. Trotzdem wird es sie selten noch geben. Das ist auch in Ordnung. In dieser Zeit darf ich besonders nahe bei meiner Schwester sein und meine Tränen machen mein Herz ein klein wenig heiler.
4. Trauere ich als Medium nun anders?
Kurz und knapp. Nein.
Auf der Welt leben rund 8 Milliarden Menschen. Jeder einzelne von ihnen hat seine eigene Persönlichkeit, Erfahrungen, soziokulturellen Prägungen, Glaubensentwürfe, Familiengeschichte. Einfach gesagt, kein Mensch auf der Welt existiert zweimal. Und keine zwei Leben können auf dieselbe Art und Weise gelebt werden.
Mit der Trauer ist es nicht anders. Jeder Mensch erlebt Trauer auf unterschiedliche Weise, durch seiner Einzigartigkeit und daraus resultierenden
Bedürfnisse.
Es gibt nicht die EINE Art zu trauern. Deshalb kann ich als Medium auch nicht anders trauern.
Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass man sich gerade in Krisensituationen wünscht, einen Leitfaden zu erhalten, damit man sich daran festhalten kann.
Einen zehn Punkte Plan, den man nur abzuarbeiten braucht und der Schmerz ist vorbei.
Das funktioniert beim Trauern jedoch nicht. Es kann nicht funktionieren, weil jede Person ihre eigene Geschichte mitbringt.
Genau hier liegt aber die Chance den Schmerz und das gebrochene Herz heilen zu können.
Schafft man es seine eigenen destruktiven Glaubenssätze über Trauer, (und leider auch oftmals die der anderen), über Bord zu werfen, und seinen individuellen Trauerprozess anzuerkennen und zu beschreiten, ist es sehr wahrscheinlich, dass man den Verlust des geliebten Verstorbenen irgendwann akzeptiert und sich erneut ein lebenswertes Leben aufbauen kann.
Doch das braucht Zeit und manchmal auch Unterstützung.
5. Vernetze dich mit anderen Trauernden
Auch wenn jeder von uns seinen individuellen Trauerweg zu beschreiten hat, haben wir doch eines gemeinsam. Wir trauern um einen uns geliebten Menschen, und sind in dieser Trauer vereint.
Vielleicht können deine Erfahrungen und Erlebnisse, für jemanden anderen, Möglichkeiten aufzeigen, um mit der Trauer besser umgehen zu können.
Umgekehrt erhältst du vielleicht Einsichten, die dich auf deinem Weg weiterbringen.
Auf meinem Instagram-Profil erhältst du, ab 2015,
regelmässig Inputs zu den Themen «Trauer», «Jenseitskontakte» und «Spiritualität».
Egal wo du dich auf deinem Trauerweg befindest, ich wünsche dir von Herzen, dass du mutig deine Individualität anerkennst, dir die Zeit nimmst, die du brauchst, und vorzeitig Unterstützung holst. Denn du und deine Trauer sind es zu 100% wert!
Herzlichst
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Birgit (Dienstag, 31 Januar 2023 17:36)
Liebe Ramona, danke für deine sehr berührende und aufrichtige eigene Erfahrung und dass du sie so offen teilst. Herzliche Umarmung, Birgit aus Tirol
Roy Symons (Sonntag, 24 September 2023 17:21)
Liebe Ramona
morgen haben wir unsere erste Sitzung. Erst hatten wir uns an der Weiterbildung bei Sandra getroffen und spontan ausgetauscht. Damals war es April. Jetzt ist es bereits Ende September. Ich hatte einfach noch einmal das Bedürfnis mich mit Deinen Gedanken zu befassen, bzw. Dir einfach zuzuhören, einfach so, als stille Einstimmung auf unsere morgige Sitzung. Vielen Dank für Deine Offenheit. Ich freue mich auf unseren Jenseitskontakt. Bis recht bald, Dir einen schönen Abend und ganz herzliche Grüsse - Roy